Können Aktien immer weiter steigen?

Angesichts von Rekordständen beim heimischen DAX sowie dem viel beachteten Dow Jones Industrial Averrage in New York fragen sich viele Anleger, ob es sinnvoll ist, auf diesem Rekordniveau noch einzusteigen.

Die Skepsis vieler Anleger ist durchaus begründet. War es nicht in der Vergangenheit wiederholt falsch, auf einem derart hohen Kursniveau noch einzusteigen? Markiere das Erreichen der alten Rekordniveaus nicht zwangsläufig das sprichwörtliche „Ende der Fahnenstange“? Gerade deutsche Anleger erinnerten sich: Schon zweimal, 2000 und 2007, war dem DAX über 8.000 „die Puste ausgegangen“. In beiden Fällen folgte ein jahrelanger Kursniedergang.

Allerdings: Die weitaus meisten Aktienmärkte sind noch weit von ihren früheren Rekordniveaus entfernt. Im Fall des DAX als sogenannten „Performance-Index“ erzeugt lediglich die Einrechnung der Jahr für Jahr gezahlten Dividenden den Eindruck, das Rekordniveau der Jahre 2000 und 2007 sei erreicht bzw. sogar überschritten worden.

Dieser populäre, in den Medien im Vordergrund stehende DAX errechnet sich aber nicht nur aus den Aktienkursen, vielmehr werden auch die Gewinnausschüttungen mit eingerechnet. Das macht kurzfristig keinen großen Unterschied – langfristig aber um so mehr: Der DAX ohne Dividenden, der sogenannte Kursindex, steht bei nur wenig über 4.000 Punkte, über 1.000 Punkte oder 25 Prozent unter dem Hoch aus dem Jahr 2007 bei 5.302 Punkten.

Das Rekordhoch des DAX-Kursindex aus dem Jahr 2000 lag bei 6.266. Um das wieder zu erreichen, müssten die Aktienkurse sogar um rund 50 Prozent steigen. Wenn die Kurse aller DAX-Aktien ihre alten Rekorde erreichen würden, stünde der populäre DAX-Performanceindex bei ungefähr 12.000 Punkten.

Auch ein Blick auf andere nationale Aktienindizes zeigt, dass die Aktienkurse in Europa noch weit von früheren Rekorden entfernt sind.

Beispiel Aktien Österreich: Der die 20 größten österreichischen Aktien umfassende ATX berührte im Jahr 2000 fast die 5.000er Marke, 2007 reichte die Kurserholung bis genau 3.000 Punkte; aber in diesem Jahr kam der Leitindex der Börse Wien nicht über 2.550. Inzwischen ist die zum 2007er Hoch Platz für einen Anstieg um ein Drittel. Bis zum Rekordhoch aus dem Jahr 2000 müsste sich der Index gar verdoppeln.

Auch die Niederlande befinden sich volkswirtschaftlich nicht in einem gänzlich anderen Umfeld als Deutschland. Der AEX Index der Börse Amsterdam markierte im Jahr 2000 sein bisher nie wieder erreichtes Rekordhoch bei 701. Im Jahr 2007 stieg der AEX bis 561. Danach kam er nicht mehr über 375 hinaus. Hier ergibt sich also schon bis zum 2007er Hoch ein Erholungsspielraum von über 50 Prozent. Um ein neues Rekordhoch zu erreichen, müsste sich der Index fast verdoppeln.

Ein 50- oder 100prozentiger Anstieg der Aktienkurse wird sicher einige Jahre in Anspruch nehmen, sprengt aber zur Zeit sogar das Vorstellungsvermögen von Optimisten. Im Gegenteil: Skeptiker finden genug Gründe für fallende Aktienkurse: Die Notenbanken hätten mit ihren Billionen-Dollar und -Euro schweren Geldspritzen nur Zeit gekauft, letztendlich aber alles noch schlimmer gemacht. Die Verschuldungskrise sei ungelöst und müsse zwangsläufig zu einer allgemeinen Wirtschaftskrise führen.

Richtig ist, daß weder die Staatsschuldenkrise noch die wirtschaftliche Schwäche in vielen Ländern überwunden ist und daß von beidem Gefahren für die Kapitalmärkte ausgehen. In den vergangenen Monaten war allerdings nie die Schuldenkrise oder eine Wirtschaftsschwäche der Grund für fallende Kurse – sondern immer das Gegenteil: In den USA mehrten sich die Zeichen dafür, dass die Krise überwunden ist, dass sich die Konjunktur weiter erholt. Deshalb kündigte die US-Notenbank eine schrittweise Normalisierung ihrer Geldpolitik an: Die Leitzinsen sollen zwar bis auf weiteres nur knapp über Null bleiben, ihre Anleihekäufe plant die US-Notenbank aber schrittweise zu reduzieren, falls sich die Wirtschaft tatsächlich weiter erholt. Doch bei einer sich verbessernden Konjunktur sollte es den Unternehmen auch möglich sein, weiterhin gute Gewinne zu machen.

Im Grunde sprechen sogar beide Argumente für höhere Kurse. Entweder ist die Konjunktur schlecht, dann behalten die Notenbanken die expansive Geldpolitik bei. Oder die Konjunktur erholt sich, dann machen die Unternehmen weiter gute Gewinne.

Letztendlich ist nicht der Vergleich mit Kursen der Vergangenheit entscheidend, sondern die Frage, wie sich die Unternehmensgewinne entwickeln. Denn mehr noch als das vorhandene Vermögen bestimmen die Gewinne der Unternehmen ihren Wert. Und danach sind beispielsweise die Aktien großer europäischer Konzerne, wie sie im Euro-Stoxx-50 zusammengefasst sind, preiswert, um nicht zu sagen, „billig„: Gebeutelt von den Krisen der vergangenen Jahre liegt dieser Kursindex noch weit unter früher Hochs.

Die Unternehmensgewinne dagegen sind auf Erholungskurs: Wenn man die Nettogewinne der 50 im Euro-Stoxx-50 enthaltenen Unternehmen –nach Zinsen und Steuern – jeweils auf eine Aktie der Unternehmen aufteilt und mit dem gleichen Gewicht zusammenzählt wie die jeweilige Aktie im Index gewichtet ist, verdienten die Euro-Stoxx-50-Unternehmen im vergangenen Jahr zusammen etwa 225 Euro. In diesem Jahr dürfte der gemeinsame Gewinn auf rund 240 Euro steigen. Das Markt-KGV läge damit bei nur etwa 11.

Die im S&P-500 enthaltenen US-Unternehmen haben schon im ersten Quartal – bezogen auf ihr Indexgewicht – gut 26 US-Dollar verdient, was wieder einmal leicht über den Erwartungen lag. Zu dem Anstieg und dem Übertreffen der Schätzungen haben die Finanzdienstleister mit gut 5 Dollar beigetragen. Für das Gesamtjahr erscheint eine Gewinnschätzung in Höhe von 110 Dollar nicht überzogen. Und spätestens 2014 sollten die Gewinne der US-Konzerne mit mehr als 120 Dollar einen neuen Rekord erreichen.

Damit kosten z.B. US-Aktien momentan knapp das Vierzehnfache ihrer Gewinne. Teuer wären US-Aktien damit trotz der Rekordjagd der vergangenen Monate nicht. Die Wall Street ist weitaus weniger auf die Unterstützung durch die Notenbankpolitik angewiesen als es vielfach den Anschein hat.

Im Verhältnis zu den niedrigen Zinsen sind Aktien immer noch spottbillig. Für Anleihen ergeben sich hingegen Bewertungen mit dem 30- bis 60-fachen ihrer jährlichen Erträge. Aktien kosten, wie oben gezeigt, noch nicht einmal halb so viel.

In der Geschichte der Aktienmärkte gab es schon häufig weitreichende Aufwärtsbewegungen, die sich auf die Unterstützung der Notenbanken begründeten. Die Zinswende brachte aber nicht zwangsläufig eine Ende der Hausse. Oft folgte auf den liquiditätsgetriebenen Aufwärtstrend eine gewinngetriebene Hausse. Die bisherige, ganz überwiegend gute Entwicklung der Unternehmensgewinne spricht dafür, dass das auch diesmal so sein kann. Der Übergang von liquiditäts- zu gewinngetriebener Hausse war oft mit zwischenzeitlichen Kursturbulenzen verbunden.

Unser Fazit für Aktien

Die Notenbank-Liquidität mag den Aktienkursen geholfen haben. Wenn aber durch das viele, billige Geld der Notenbanken Preisblasen entstanden sind, dann eher bei Anleihen, Gold und auf so manchem Immobilienmarkt als bei Aktien. Die sporadischen Kursrückgänge in den letzten Monaten haben ein ohnehin attraktive Aktieninvestments vorübergehend noch etwas billiger gemacht und bieten somit langfristig denkenden Anlegern immer wieder eine günstige Gelegenheit, Anlagen in Aktienfonds aufzustocken!

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